Hallo Ich!
Unter dem Titel „Selbsterlebnis in Meditation und Gestalten“
fuhr ich am 10. August in Richtung St. Ottilien. Was ich wusste war, dass ich
eine Reise nach innen machen durfte. Frei nach Novalis:“ Wir träumen von Reisen
durch das Weltall – nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder
nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten.“ In den nächsten 3 ½ Tagen würde
ich meinem Ich ungeschminkt begegnen dürfen.
Im Programm war von Meditation, Stille und dem Gestalten mit
Holz, Stein und Bronze die Rede. Pater Augustinus und Anton Klotz, ein Holz-
und Steinbildhauermeister, würden diese Zeit der inneren Reise begleiten. Diese
Kombination der Möglichkeiten, mich ausdrücken zu dürfen hatte es mir besonders
angetan. Ich träumte von riesigen Steinquadern und Holzstämmen, die ich mit
meinen Händen zum Leben erwecken durfte.
Jeder Tag stand unter einem besonderen Gedankenstern des
Pater Augustinus. Der Dienstag war der „Atempause“ gewidmet. Der Mittwoch dem
„Schweigen“. Der Donnerstag der „Sehnsucht nach Leben“ und der Freitag der
„Quelle des Lebens“.
Der Montagabend diente dem Kennenlernen. Die Runde stimmte
mich froh. Neben mir saßen weitere acht Frauen unterschiedlichen Alters. Alle waren
neugierig und offen, was die nächsten Tage uns wohl erwarten würde. Eine jede
von uns zog ein DINA4-Blatt mit einem wunderschönen Bild und einem Leitspruch
für unsere kommende Zeit. Meiner war schnell gefunden: „von ganzem Herzen da
sein“. Ja das wollte ich. Die
Vergangenheit in Frieden lassen und der Zukunft positiv entgegensehen. Ganz im
Hier und Jetzt verwurzelt. Ob mir das gelingen würde?
Nachdem wir über die Blätter alle einen kleinen Blick ins
Innere der Anderen erhaschen durften, informierte uns Pater Augustinus über
seine Ideen zur Woche. Herr Klotz, also der Anton, wir waren uns schnell einig,
dass wir uns duzen wollten, erzählte uns, wie sich das zentrale Thema des
Seminars in der Materie und beim kreativen Gestalten wiederfand. Anschließend bekamen
wir alle unseren gemeinsamen Wochenplan und machten uns in kleinen Gruppen
Gedanken um das „leidige Thema des „Sich-Sorgen-Machens“. Dann ging es ab ins
Bett. Das wunderschöne Flötenspiel von Anton würde uns schließlich am nächsten
Tag bereits um halb sieben aus dem Schlaf locken. So wollte ich in Zukunft
immer geweckt werden. Ich nahm mir vor, zu Hause meinen Handywecker
entsprechend zu justieren. Da würde es im world wide web sicher irgendwo etwas
geben. Auch wenn sich das mit der Improvisationskunst und Herzenswärme von
Anton sicher nicht messen lassen würde können.
Die Tage waren stets gleich getaktet. Um 7.00 Uhr trafen wir
uns auf unseren Yoga-Matten in einem liebevoll gestalteten Meditationsraum. Eine
Schale wunderschöner frischer Blumen und eine Kerze belebte die Mitte des
Raumes. Als wir saßen, begann Pater
Augustinus mit einer Teezeremonie. Wir saßen im Kreis und genossen langsam, achtsam
und in Stille den grünen Tee. Die anschließende Körperübung, die dem Qigong bzw.
der ZEN-Lehre entsprang, rief unsere Lebensgeister wach. Ein Gebet wurde mit
Gebärden und dem Atemrhythmus so wundervoll verwoben, dass die Energie förmlich
zu greifen war. Es war als ob unsere langsamen, achtsamen und ausholenden Gebärden
tatsächlich die Sonne in unseren Raum holten und uns ein Hauch des Göttlichen
streifte wenn wir uns selbst sanft am Kopf, im Gesicht oder am Bauch berührten
und hinein spürten. Ob wir wirklich „da
waren“ in unserer „Mitte“ und dort innen
Platz genommen hatten. Pater Augustinus hatte sich bewusst auf eine kleine
Anzahl von Gebet-Gesten-Abfolgen beschränkt. Auf diese Weise wiederholten sich
die Übungen und wir wurden mit jedem Tag sicherer. Die Weite, die sich im
Bauchraum öffnete wurde noch weiter, unsere Bewegungen wurden stetig fließender
und unser inneres Lächeln breiter. Eine Zeit des Sitzens in Stille rundete
diese unsere täglichen Morgengrüße ab. Danach begaben wir uns in die Kapelle
zum Morgenlob. Dann war Frühstückszeit.
In freier Natur trafen wir uns wieder. Gehmeditation stand
auf dem Programm. Nacheinander liefen wir im Gänsemarsch hinter Pater
Augustinus her, der in gefühltem Zeitlupentempo einen Fuß vor den Anderen
setzte. Das langsame und bewusste Gehen war zunächst sehr ungewohnt und der
innere Zappelphilipp raufte sich die Haare. Der war aber schnell Schachmatt
gesetzt. Ich war überrascht, wie viel ich plötzlich um mich herum wahr nahm und
wie schön es war, bewusst die Erde zu spüren. Ich begann als ungestümer und ungeduldiger
Mensch die Langsamkeit zu genießen. Es fühlte sich fast so an, als ob ich ein
Bad in und mit der Natur nehmen würde.
Wieder zurück im Meditationsraum folgte die zweite
Körperübung des Tages mit einer weiteren Gebetszeit in Stille. Danach durften wir
uns völlig entspannt auf unsere Matten legen. Das war eine meiner
Lieblingszeiten des Tages. Ich lag völlig entspannt mit geschlossenen Augen auf
meiner Matte. Pater Augustinus schlug die Klangschalen. Die Klänge kamen von
überall her und drangen immer anders, aber auch überall in mich ein. Als mir
Pater Augustinus die Klangschale auf mein Herz und meinem Bauch setzte und
schlug, flossen die Klangwellen durch mich hindurch. Es war als ob sie meine
eigene Melodie anstimmten und meine Zellen auf einer Ebene zu schwingen
begannen, wie ich es so noch nie empfunden hatte. Ich hätte ewig so liegen
können. Der heiße Jasmintee beendete diesen Programmpunkt jedoch auf eine
warmherzige und ebenso wohltuende Weise.
Dann war es Zeit für das Mittagessen. Egal ob morgens,
mittags oder abends, die Klosterküche hielt für jeden etwas Gutes bereit. Alles
war frisch, abwechslungsreich und lecker zubereitet. Der Grillabend am
Donnerstag unter den Bäumen war ein wahres Gaumenfest.
Um 15.00 Uhr war es endlich soweit. Ein satter Holzgeruch empfing
uns, als wir „unsere Werkstatt“ der nächsten Tage betraten. Es erwarteten uns
zwar keine Holzstämme oder Steinquader im Obelix-Hinkelstein-Format, wie hätte
der Anton die auch alle hertransportieren sollen, aber es war genug von Holz,
Stein und Bronze da, um einfach einmal etwas auszuprobieren. Nach einer kurzen
Einführung von Anton legten wir los. „Wir sollten nicht lange fackeln“, sondern
uns von uns überraschen lassen. Also ran an den Speckstein, den Holzscheit oder
das Bronzestück. Mit Bildvorlage, Skizze oder ohne, irgendwie fand jede von uns
tatsächlich ziemlich fix ihr Material und ihren Einstieg und ihren ganz eigenen
Stil. Schnell leuchteten die Augen und glühten die Wangen als geschliffen,
gesägt, behauen und gemalt wurde. Der kreative Funke hatte in jedem gezündet.
Wir alle arbeiteten bis zum Ende des Seminars mit großer Freude und aus vollem
Herzen. Manch eine verkürzte die letzte Nacht auf drei Stunden, weil sie ihre
Holzfigur bis um vier Uhr morgens fertigstellte. Eine jede von uns ließ seine
Seele einfließen und so standen am letzten Tag wundervolle Gebilde vor dem
Altar. Allesamt beseelt. Mit Liebe gemacht. Voller Gefühl. Liebevoll begleitet
durch Anton, der auf jede Frage eine Antwort hatte, für uns da war und uns
einfach „unser Ding“ machen ließ.
Nach dem „Werken“ übten wir täglich unsere Lieder für den
Gottesdienst am Abend. Jeder Gottesdienst war von Pater Augustinus gemäß des
Tages-Leitsatzes sehr aufmerksam und liebevoll vorbereitet worden. Die Predigt,
begleitende Texte und Fürbitten formulierten auf sehr treffende Weise, was wir
in unseren Herzen trugen. Jeder Text, den uns Pater Augustinus schenkte,
berührte Seele und Geist und regte zum Nachdenken an. Sämtliche Texte bekamen
wir auf Blättern zum Nachlesen und Reinspüren mit auf unseren Heim- und weiteren
Lebensweg.
Nach dem Gottesdienst saßen wir in gemütlicher Runde
beisammen oder ließen die Geschehnisse des Tages nachwirken. Nur am Mittwoch
gab es das offizielle Beisammensein nicht. Denn an diesem Tag war Schweigen
angesagt. Wir zogen es wirklich durch. Bis auf die Zeit unseres Werkens mit
Anton, in der wir schließlich unsere Projekte besprechen mussten, schwiegen wir den ganzen Tag. Sehr leise war
es im Außen und umso lauter in mir selbst. Da waren plötzlich Stimmen zu hören,
die ich sonst im allgemeinen Dagegen-Anschreien kaum oder nur leise vernahm.
Meine eigene innere Stimme und die Stimmen des Himmels waren plötzlich klar und
deutlich zu hören. Eine wunder volle Erfahrung.
Als ich mich am Freitag von allen verabschiedete war es
geschehen. Ja. Ich war mir selbst begegnet. Ich war von ganzem Herzen da. Ich
fühlte mich am Ende dieser Tage leicht wie eine Feder, kraftvoll und in der
Erde wurzelnd wie ein Baum, beseelt, lebendig und voller Liebe zu dem was war,
was ist und was sein wird.
Danke.
Daniela Schneider, August 2015
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