Dienstag, 15. Dezember 2015

Selbsterlebnis in Meditation und Gestalten



Hallo Ich!


Unter dem Titel „Selbsterlebnis in Meditation und Gestalten“ fuhr ich am 10. August in Richtung St. Ottilien. Was ich wusste war, dass ich eine Reise nach innen machen durfte. Frei nach Novalis:“ Wir träumen von Reisen durch das Weltall – nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten.“ In den nächsten 3 ½ Tagen würde ich meinem Ich ungeschminkt begegnen dürfen.


Im Programm war von Meditation, Stille und dem Gestalten mit Holz, Stein und Bronze die Rede. Pater Augustinus und Anton Klotz, ein Holz- und Steinbildhauermeister, würden diese Zeit der inneren Reise begleiten. Diese Kombination der Möglichkeiten, mich ausdrücken zu dürfen hatte es mir besonders angetan. Ich träumte von riesigen Steinquadern und Holzstämmen, die ich mit meinen Händen zum Leben erwecken durfte.


Jeder Tag stand unter einem besonderen Gedankenstern des Pater Augustinus. Der Dienstag war der „Atempause“ gewidmet. Der Mittwoch dem „Schweigen“. Der Donnerstag der „Sehnsucht nach Leben“ und der Freitag der „Quelle des Lebens“.


Der Montagabend diente dem Kennenlernen. Die Runde stimmte mich froh. Neben mir saßen weitere acht Frauen unterschiedlichen Alters. Alle waren neugierig und offen, was die nächsten Tage uns wohl erwarten würde. Eine jede von uns zog ein DINA4-Blatt mit einem wunderschönen Bild und einem Leitspruch für unsere kommende Zeit. Meiner war schnell gefunden: „von ganzem Herzen da sein“. Ja das wollte ich.  Die Vergangenheit in Frieden lassen und der Zukunft positiv entgegensehen. Ganz im Hier und Jetzt verwurzelt. Ob mir das gelingen würde?


Nachdem wir über die Blätter alle einen kleinen Blick ins Innere der Anderen erhaschen durften, informierte uns Pater Augustinus über seine Ideen zur Woche. Herr Klotz, also der Anton, wir waren uns schnell einig, dass wir uns duzen wollten, erzählte uns, wie sich das zentrale Thema des Seminars in der Materie und beim kreativen Gestalten wiederfand. Anschließend bekamen wir alle unseren gemeinsamen Wochenplan und machten uns in kleinen Gruppen Gedanken um das „leidige Thema des „Sich-Sorgen-Machens“. Dann ging es ab ins Bett. Das wunderschöne Flötenspiel von Anton würde uns schließlich am nächsten Tag bereits um halb sieben aus dem Schlaf locken. So wollte ich in Zukunft immer geweckt werden. Ich nahm mir vor, zu Hause meinen Handywecker entsprechend zu justieren. Da würde es im world wide web sicher irgendwo etwas geben. Auch wenn sich das mit der Improvisationskunst und Herzenswärme von Anton sicher nicht messen lassen würde können.


Die Tage waren stets gleich getaktet. Um 7.00 Uhr trafen wir uns auf unseren Yoga-Matten in einem liebevoll gestalteten Meditationsraum. Eine Schale wunderschöner frischer Blumen und eine Kerze belebte die Mitte des Raumes.  Als wir saßen, begann Pater Augustinus mit einer Teezeremonie. Wir saßen im Kreis und genossen langsam, achtsam und in Stille den grünen Tee. Die anschließende Körperübung, die dem Qigong bzw. der ZEN-Lehre entsprang, rief unsere Lebensgeister wach. Ein Gebet wurde mit Gebärden und dem Atemrhythmus so wundervoll verwoben, dass die Energie förmlich zu greifen war. Es war als ob unsere langsamen, achtsamen und ausholenden Gebärden tatsächlich die Sonne in unseren Raum holten und uns ein Hauch des Göttlichen streifte wenn wir uns selbst sanft am Kopf, im Gesicht oder am Bauch berührten und hinein spürten. Ob wir  wirklich „da waren“ in unserer „Mitte“  und dort innen Platz genommen hatten. Pater Augustinus hatte sich bewusst auf eine kleine Anzahl von Gebet-Gesten-Abfolgen beschränkt. Auf diese Weise wiederholten sich die Übungen und wir wurden mit jedem Tag sicherer. Die Weite, die sich im Bauchraum öffnete wurde noch weiter, unsere Bewegungen wurden stetig fließender und unser inneres Lächeln breiter. Eine Zeit des Sitzens in Stille rundete diese unsere täglichen Morgengrüße ab. Danach begaben wir uns in die Kapelle zum Morgenlob. Dann war Frühstückszeit.


In freier Natur trafen wir uns wieder. Gehmeditation stand auf dem Programm. Nacheinander liefen wir im Gänsemarsch hinter Pater Augustinus her, der in gefühltem Zeitlupentempo einen Fuß vor den Anderen setzte. Das langsame und bewusste Gehen war zunächst sehr ungewohnt und der innere Zappelphilipp raufte sich die Haare. Der war aber schnell Schachmatt gesetzt. Ich war überrascht, wie viel ich plötzlich um mich herum wahr nahm und wie schön es war, bewusst die Erde zu spüren. Ich begann als ungestümer und ungeduldiger Mensch die Langsamkeit zu genießen. Es fühlte sich fast so an, als ob ich ein Bad in und mit der Natur nehmen würde.


Wieder zurück im Meditationsraum folgte die zweite Körperübung des Tages mit einer weiteren Gebetszeit in Stille. Danach durften wir uns völlig entspannt auf unsere Matten legen. Das war eine meiner Lieblingszeiten des Tages. Ich lag völlig entspannt mit geschlossenen Augen auf meiner Matte. Pater Augustinus schlug die Klangschalen. Die Klänge kamen von überall her und drangen immer anders, aber auch überall in mich ein. Als mir Pater Augustinus die Klangschale auf mein Herz und meinem Bauch setzte und schlug, flossen die Klangwellen durch mich hindurch. Es war als ob sie meine eigene Melodie anstimmten und meine Zellen auf einer Ebene zu schwingen begannen, wie ich es so noch nie empfunden hatte. Ich hätte ewig so liegen können. Der heiße Jasmintee beendete diesen Programmpunkt jedoch auf eine warmherzige und ebenso wohltuende Weise.


Dann war es Zeit für das Mittagessen. Egal ob morgens, mittags oder abends, die Klosterküche hielt für jeden etwas Gutes bereit. Alles war frisch, abwechslungsreich und lecker zubereitet. Der Grillabend am Donnerstag unter den Bäumen war ein wahres Gaumenfest.


Um 15.00 Uhr war es  endlich soweit. Ein satter Holzgeruch empfing uns, als wir „unsere Werkstatt“ der nächsten Tage betraten. Es erwarteten uns zwar keine Holzstämme oder Steinquader im Obelix-Hinkelstein-Format, wie hätte der Anton die auch alle hertransportieren sollen, aber es war genug von Holz, Stein und Bronze da, um einfach einmal etwas auszuprobieren. Nach einer kurzen Einführung von Anton legten wir los. „Wir sollten nicht lange fackeln“, sondern uns von uns überraschen lassen. Also ran an den Speckstein, den Holzscheit oder das Bronzestück. Mit Bildvorlage, Skizze oder ohne, irgendwie fand jede von uns tatsächlich ziemlich fix ihr Material und ihren Einstieg und ihren ganz eigenen Stil. Schnell leuchteten die Augen und glühten die Wangen als geschliffen, gesägt, behauen und gemalt wurde. Der kreative Funke hatte in jedem gezündet. Wir alle arbeiteten bis zum Ende des Seminars mit großer Freude und aus vollem Herzen. Manch eine verkürzte die letzte Nacht auf drei Stunden, weil sie ihre Holzfigur bis um vier Uhr morgens fertigstellte. Eine jede von uns ließ seine Seele einfließen und so standen am letzten Tag wundervolle Gebilde vor dem Altar. Allesamt beseelt. Mit Liebe gemacht. Voller Gefühl. Liebevoll begleitet durch Anton, der auf jede Frage eine Antwort hatte, für uns da war und uns einfach „unser Ding“ machen ließ.


Nach dem „Werken“ übten wir täglich unsere Lieder für den Gottesdienst am Abend. Jeder Gottesdienst war von Pater Augustinus gemäß des Tages-Leitsatzes sehr aufmerksam und liebevoll vorbereitet worden. Die Predigt, begleitende Texte und Fürbitten formulierten auf sehr treffende Weise, was wir in unseren Herzen trugen. Jeder Text, den uns Pater Augustinus schenkte, berührte Seele und Geist und regte zum Nachdenken an. Sämtliche Texte bekamen wir auf Blättern zum Nachlesen und Reinspüren mit auf unseren Heim- und weiteren Lebensweg.


Nach dem Gottesdienst saßen wir in gemütlicher Runde beisammen oder ließen die Geschehnisse des Tages nachwirken. Nur am Mittwoch gab es das offizielle Beisammensein nicht. Denn an diesem Tag war Schweigen angesagt. Wir zogen es wirklich durch. Bis auf die Zeit unseres Werkens mit Anton, in der wir schließlich unsere Projekte besprechen mussten,  schwiegen wir den ganzen Tag. Sehr leise war es im Außen und umso lauter in mir selbst. Da waren plötzlich Stimmen zu hören, die ich sonst im allgemeinen Dagegen-Anschreien kaum oder nur leise vernahm. Meine eigene innere Stimme und die Stimmen des Himmels waren plötzlich klar und deutlich zu hören. Eine wunder volle Erfahrung.


Als ich mich am Freitag von allen verabschiedete war es geschehen. Ja. Ich war mir selbst begegnet. Ich war von ganzem Herzen da. Ich fühlte mich am Ende dieser Tage leicht wie eine Feder, kraftvoll und in der Erde wurzelnd wie ein Baum, beseelt, lebendig und voller Liebe zu dem was war, was ist und was sein wird.


Danke.




Daniela Schneider, August 2015

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